Deutscher Journalisten-Verband Landesverband Nordrhein-Westfalen

Ein Blick auf den Zeitschriftenstandort NRW

Vom Nischenheft bis zum Auflagenmillionär

Es gibt sie auf Hochglanz- oder auf Zeitungspapier, wöchentlich, monatlich oder viermal im Jahr. Sie sind geheftet oder gebunden, werden per Abo bezogen oder einzeln am Kiosk gekauft. Sie werden gedruckt oder elektronisch vertrieben. Manche kommen und gehen, die meisten aber bleiben: Zeitschriften – eine Landschaft im Wandel und dennoch mit vielen Konstanten, auch in Nordrhein-Westfalen.

Einer, der den Wandel für sich vollzogen hat, ist Hermann-J. Hoffe. In einem Alter, in dem andere den Ruhestand im Blick haben, hob der jetzt 62-jährige Unternehmens- und Kommunikationsberater ein Magazin aus der Taufe. Im September 2011 erschien sein erstes WOLL-Magazin. Auch wenn es so klingt: Mit Handarbeiten hat der Name nichts zu tun. Es ist ein Magazin für die Region, in der Hoffe zu Hause ist: das Sauerland, dort wo die Menschen jeden zweiten Satz mit dem Wörtchen „woll“ abschließen.

„Worte, Orte, Land und Leute“

„Ich hatte die Idee, ein Magazin für den Ort herauszugeben, in dem ich lebe, für Schmallenberg“, sagt der Verleger, Herausgeber, Chefredakteur und Anzeigenakquisiteur in einer Person. Das „woll“ als Magazin-Marke entstammt einem Brainstorming zwischen ihm und einem Grafiker, mit dem Hoffe schon früher zusammengearbeitet hatte. Die vier Buchstaben stehen auch für „Worte, Orte, Land und Leute“.

Sechs Wochen dauerte es 2011 bis zur ersten 64-seitigen Ausgabe. „Das Magazin kam ausgesprochen gut an“, sagt Hoffe. Er war überrascht, dass es neben Westfalenpost und Westfälischer Rundschau sowie den Anzeigenblättern aus dem Ippen-Verlag Platz für das Heft gab. Das liegt vielleicht auch daran, dass es mit Fotos und Reportagen die schönen Seiten des Sauerlandes zeigt, eben die „Region auf Hochglanzpapier“, wie es Hoffe ausdrückt. Die ersten beiden Nummern wurden unentgeltlich verteilt, heute kostet das vierteljährlich erscheinende, inzwischen 112 Seiten starke WOLL-Magazin 3 Euro.

Neben der „Gründungsausgabe“ für Schmallenberg und Eslohe gibt es heute Lizenzen für vier weitere Regionen. „Gerade ist die zweite Ausgabe für Brilon und Umgebung erschienen“, erzählt Hoffe. Die Gesamtauflage von 40.000 Stück erreicht ca. 100.000 Leser über Abos, an Verkaufsstellen, aber auch über Anzeigenkunden, beispielsweise Hotels, die das Heft auf die Zimmer legen – Imagewerbung für alle.

Rund 50 bis 60 Menschen arbeiten insgesamt an Redaktion und Herstellung aller Ausgaben, naturgemäß nicht nur Journalisten. Auch Hermann-J. Hoffe ist von Haus aus keiner, aber er ist ein überzeugte Kommunikator, wie auch sein Internetauftritt zeigt. Er selbst, so sagt er, könne inzwischen von dem Magazin leben. Muss er aber nicht, denn er ist auch weiter als Marketingberater tätig und als Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Südwestfalen und Dozent bei der IHK Arnsberg. Zwei Dinge motivieren ihn: Spaß und Leidenschaft – und: „Mein Herz schlägt für das Sauerland!“

Hermann-J. Hoffe hat seine Nische für eine Zeitschriftenneugründung gefunden: „Die Kraft steckt in der Region.“ Dasselbe gilt für die beiden ehemaligen Redakteure der Westfälischen Rundschau, Bernd Maus und Bernhard Schlütter. Sozusagen in der Nachbarschaft von Hoffe, im sauerländischen Plettenberg, haben sie im vergangenen Jahr das Magazin KOMPLETT gegründet (s. JOURNAL 5/2013). Hoffe deutet an, dass vielleicht so etwas wie ein sauerländisches Netzwerk entstehen könnte.

Verluste und Neugründungen

Ist die Verbundenheit mit Heimat, die Sehnsucht nach dem Landleben ein Erfolgsrezept? Das legt der Triumphzug der Landlust aus dem Landwirtschaftsverlag Münster nahe. Das hochwertig gestaltete Blatt hat einen ganz neuen Trend gesetzt und ist mittlerweile Auflagenmillionär. Obwohl sie nur sechsmal im Jahr erscheint, gehört die Landlust mit knapp 38 Millionen Euro Umsatz und einer Steigerung von 12,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu den 50 umsatzstärksten Zeitschriften 2013 in Deutschland (Rang 40) und ist in dieser Kategorie auch der Gewinner des Jahres.

Mit seinen Agrar-Magazinen top agrar oder Landwirtschaftliches Wochenblatt, aber auch seinen Special-Interest-Titeln wie Reiter Revue, Reiter und Pferde, Rheinisch-Westfälischer Jäger oder Jagdpraxis war der Fachverlag in Münster-Hiltrup seit jeher ein Big Player in diesem Markt. Aber die Landlust hat dem Haus ein ganz neues Image beschert, unterstreicht Karl-Heinz Bonny, inzwischen in Pension gegangener langjähriger Hauptgeschäftsführer des Verlages.

Die erste Nummer war im Herbst 2005 mit einer Startauflage von 70 000 erschienen – nach rund zweijähriger Vorlaufzeit. „Nach dem Anschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 zeigte Marktforschung wie die Allensbacher Werbeträger-Analyse (AWA) oder die Typologie der Wünsche von Burda, dass sich grundlegende Werte stärker in Richtung Familie, Partnerschaft, Garten, Häuslichkeit verschoben hatten“, erinnert sich der 64-Jährige.

"Cocooning“ war das Stichwort unter den Soziologen. „Und auf einmal hatten Gartenfestivals und Events in Schlossgärten Konjunktur mit 30 000 und mehr zahlenden Besuchern an einem Wochenende.“ Begleitet von der hauseigenen Marketingabteilung, entwickelte sich die Idee, diesen Trend in einer Zeitschrift umzusetzen. Eine Rolle spielte dabei auch die Zukunftsperspektive der reinen Landwirtschaftstitel: Die Zahl der Landwirte sinkt jährlich um 3 bis 4 Prozent.

Mit Bordmitteln  

Noch heute ist Karl-Heinz Bonny stolz darauf, die Landlust mit Bordmitteln aus der Taufe gehoben zu haben. Sowohl top agrar, die auflagenstärkste deutschsprachige Landwirtschaftliche Monatszeitschrift, als auch das Landwirtschaftliche Wochenblatt Westfalen-Lippe mit mehr als 150-jähriger Tradition haben jeweils eigene Seiten für die Landfrauen. Daraus rekrutierte sich die Entwicklungsredaktion, die nach einigen verlagsinternen Diskussionen in extra angemieteten Räumen an die Projektplanung ging. „Ich war mir damals schon sicher, dass die Landlust die auflagenstärkste Zeitschrift des Hauses werden könnte. Den Gremien haben wir dann ein angestrebtes Ziel von 180 000 Auflage genannt, denn die mussten ja Geld für die Entwicklung bereitstellen“, ruft sich Bonny ins Gedächtnis, „aber intern haben wir durchaus 300 000 für möglich gehalten.“

Nun ist es mehr als eine Million. Das ländliche Lifestyle-Magazin hat den Nerv der Zeit getroffen, auch den der Städter – und etliche wollen es der Landlust nachtun: Landidee, Mein schönes Land, Landleben oder auch Land und Berge. Allerdings konnten sie weder die Auflagenentwicklung des Originals bremsen noch eine ähnlich große Verbreitung finden.

Auf der Suche nach Möglichkeiten der Portfolio-Erweiterung hat der Landwirtschaftsverlag mittlerweile zwei neue Zeitschriften: das Magazin Einfach Hausgemacht mit Tipps und Reportagen rund um Küche und Haushalt sowie das Reisemagazin himmelblau. Dr. Thorsten Weiland, Bereichsleiter Publikumsmedien beim Landwirtschaftsverlag, erklärt: „Themen wie Kochen, Backen und Hauswirtschaft waren schon in unseren Bestandstiteln vorhanden. Wir haben uns gefragt, wie wir in einem schon bestehenden Markt etwas Besonderes bieten können, und wollten Alltagsthemen in der Breite wie eine Fachzeitschrift, aber opulent und leserfreundlich wie eine Publikumszeitschrift anbieten.“ Positive Reaktionen auf eine Testausgabe im vergangenen Jahr, Leserbefragungen und Marktforschung machten aus himmelblau ein Periodikum, das nun ebenso wie Einfach Hausgemacht vierteljährlich in einer opulenten Heftausstattung erscheint.

Gebeutelter Zeitschriftenmarkt

Solche Trends sind ein Trost für den nordrhein-westfälischen Zeitschriftenmarkt, der in der Vergangenheit einiges an Verlusten erlebt hat. Kürzel wie G+J und WZV rufeh die Erinnerungen an Kündigungen und verlagerte Arbeitsplätze wach.

Die Funke Mediengruppe hat an dieser Verlustgeschichte ein wesentliches Kapitel geschrieben. Im Juli 2009 hatte der damalige WAZ-Konzern in Düsseldorf den Westdeutschen Zeitschriftenverlag (WZV) mit den fünf Yellow-Press-Titeln Das Goldene Blatt, Neue Welt, frau aktuell, Echo der Frau und Freizeit exklusiv Knall auf Fall aus NRW abgezogen und in bei München mit der dortigen Gong-Gruppe zusammengelegt. Mehr als 100 Mitarbeiter verloren hier damals ihren Job. Gleichzeitig nutzte der Medienkonzern die Gelegenheit, den WZV in eine neue, nicht tarifgebundene Gesellschaft zu überführen, die Funke Women Group. In Ismaning geben die WAZ- bzw. Funke-Töchter heute 14 Programm-, acht Frauen-, drei Tier-, mehr als 60 Rätselzeitschriften sowie, dem Trend nach Landleben folgend, die Landidee heraus. Insgesamt ist Funke bisher mit circa 170 Zeitschriften-Titeln ein mittelgroßer Player in diesem Markt.

Mehr Gewicht gibt es durch den Deal mit der Springer AG, die ein ganzes Paket von Zeitungen und Zeitschriften an die Essener verkauft (siehe Kasten S. xx). Das Kartellamt bestätigte Ende März, dass seine Vorbehalte für die Übernahme der Programmzeitschriften wohl beseitigt sind.

Was wenige wissen: Auch nach der WZV-Verlagerung gibt es in NRW noch Funke-Zeitschriften. Die 80-Prozent-Beteiligung Reiner H. Nitschke Verlag publiziert sieben Spezialzeitschriften aus dem Bereich der Musik- und Motorradmagazine mit rund 40 festangestellten Mitarbeitern und circa 30 freien Autoren und Fotografen. Am Verlagsstandort, dem Kultur- und Medien-Zentrum Euskirchen, gibt es laut Verlagsangaben einen eigenen Konzertsaal, ein großes digitales Fotostudio, mehrere Hör- und Messräume sowie eine eigene Motorradwerkstatt, die optimale Bedingungen für die Produktion der unterschiedlichen Spezialzeitschriften herstellen.

Auch der Essener Klartext Verlag, 1983 gegründet, gehört seit 2007 zur Funke Mediengruppe. Zwar ist er vor allem im Buchgeschäft tätig, veröffentlicht aber auch sieben Zeitschriften zu Themen wie Geschichte, Sport und Freizeit, zum Ruhrgebiet und zu Nordrhein-Westfalen. Einer der Titel ist K.West, das Kulturmagazin des Westens. Das Feuilleton-Magazin präsentiert, rezensiert, porträtiert Personen und Ereignisse, Neuigkeiten und Tendenzen aus Architektur, Schauspiel, Oper, Tanz, Film, Hochschule, Kulturpolitik, Kunst, Musik und Literatur. Aber auch Revier für Genießer mit kulinarischen Tipps und Reportagen über die Gastronomie-Szene zwischen Dortmund und Duisburg erscheint im gleichen Verlag.

Als die WAZ-Geschäftsführung den WZV 2009 nach Bayern verschob, griff sie auf ein Rezept zurück, das sich nicht nur in Verlagskreisen „bewährt“ hat, um Mitarbeiter loszuwerden. Die Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr (G+J) Wirtschaftspresse hatte es wenige Monate zuvor beretis angewandt: Sie schloss Anfang 2009 die Redaktionen von Capital und Impulse in Köln sowie von Börse online in München und legte sie mit der chronisch defizitären Financial Times Deutschland (FTD) zusammen. Alle G+J-Wirtschaftsmedien wurden von einer Zentralredaktion in Hamburg erstellt, die selbstverständlich nicht dem Tarif unterlag. Gut 80 Kolleginnen und Kollegen wurde Gruner + Jahr auf diese Weise los.

Das Ende der Geschichte kennen wir: Die FTD wurde eingestellt, für die relaunchte Capital eine neue Redaktion in Berlin aufgebaut, und das Unternehmermagazin Impulse ging per Management-Buyout an seinen Chefredakteur Nikolaus Förster als Mehrheitsgesellschafter. Unter dessen verlegerischer Führung schrieb Impulse bereits im ersten Jahr wieder schwarze Zahlen.

Schon 2002 hatte die Verlagsgruppe Handelsblatt (VHB) mit DM/Euro (ursprünglich DM) ein anderes Wirtschaftsmagazine aus NRW nach Frankfurt verlegt und sich von der hiesigen Redaktion getrennt. Auch das war nicht von langer Dauer. Heute erscheint das Heft unter dem Titel €uro im Münchner Finanzenverlag.

Von ehemals einem ganzen Strauß an Wirtschaftstiteln ist in NRW ein überregionales Magazin übrig geblieben: die ebenfalls von VHB herausgegebene Wirtschaftswoche. Mit einer Auflage von gut 150 000 erreicht das Heft laut MA (Medien-Analyse) 2010 rund 910 000 Leser. Immerhin: Auch die Wiwo, wie sie gerne abgekürzt wird, gehört mit 63,5 Millionen Euro Umsatz 2013 in die Top 50 der umsatzstärksten Magazine (Rang 23).

Wie viele andere Zeitschriften gibt es das Wochenmagazin mittlerweile auch in digitaler Form – als E-Magazin und als App für iPhone und iPad. Für fast alle Verlage gilt: Sie nutzen ihre Marke heute für Nebengeschäfte und verkaufen in ihren Shops alles, was zusätzlich Geld bringt: von Büchern bis Wein, von Kunsteditionen bis hin zu Designmöbeln.

„Ich glaube, für jedes auch noch so ausgefallene Hobby, für jeden Themenbereich findet sich eine Zeitschrift“, sagt Lothar Hausmann, Vorsitzender des Bundesfachausschusses Zeitschriften, zur Vielfalt in NRW. Tatsächlich ist die Region zwischen Aachen und Gütersloh, zwischen Münster und Bonn reich an Fach- und Special-Interest-Titeln und weit vielfältiger, als die meisten Menschen wissen. Die hier genannten Verlage und Zeitschriften können da nur beispielhaft für den Gesamtmarkt stehen.

Mit rund 180 Mitarbeitern ist die Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln eines der großen Fachmedienunternehmen im Land. Mit einer fast 175-jährigen Tradition zählt es zu den renommierten Anbietern von Fachinformationen aus den Bereichen Planen, Bauen, Immobilien und Handelsmarketing. Unter dem Verlagsdach existiert – um ein Beispiel zu nennen – der Feuertrutz Verlag mit dem Feuertrutz Magazin.

Geschäftsführer Dr. Christoph Müller vertritt als Vorsitzender den Verband der Zeitschriftenverlage Nordrhein-Westfalen (VZVNRW, s. Kasten "Herausforderung Transformationsprozess"). Das Firmenporträt weist besonders auf den Sitz der Verlagsgruppe hin: Das Gebäude hat der Architekt Prof. Oswald Mathias Ungers entworfen, einer der Hauptvertreter der Postmoderne.

Breite Informationsvermittlung

Wie bei den meisten Fachverlagen bilden zwar die Fachzeitschriften und vielfach auch Fachbücher den Grundstock, aber daneben werden alle Formen der Informationsvermittlung genutzt – die elektronischen Medien ebenso wie Fachkongresse und Seminarveranstaltungen. Vielfach werden die Geschäfte auch durch Messen jeder Art ausgeweitet.

Offenbar ist Köln die heimliche Zeitschriften-Hauptstadt in NRW: Als weiterer der ganz Großen hat der Deutsche Ärzte-Verlag mit rund 270 Mitarbeitern seinen Sitz in der Domstadt. Dessen Gesellschafter sind zu gleichen Teilen die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Flaggschiff ist das Deutsche Ärzteblatt, mit über 400 000 Exemplaren wöchentlich die auflagenstärkste Fachzeitschrift für Ärzte. Daneben erscheinen Fachzeitschriften zu Themen wie Zahnheilkunde, Zahnärztlicher Implantologie, Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und Allgemeinmedizin. Neben Zeitschriften bietet der Verlag auch Bücher und Formulare für die Arztpraxis an. Selbst Kunstwerke kann man im E-Shop bestellen.

Der Springer-Funke-Deal

Die Nachricht überraschte im Juli 2013 nicht nur die Medienwelt: Für 920 Millionen Euro verkaufte die Axel Springer AG u.a. die Berliner Morgenpost und das Hamburger Abendblatt sowie diverse Frauen- und Programmzeitschriften an die Funke Mediengruppe. Der Verkauf dient Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner dazu, seinen Konzern ganz auf digitalen Vertrieb auszurichten. Zu den verkauften Titeln zählen u.a. Bild der Frau, TV Digital, TV Neu, Funk Uhr, vor allem aber Hörzu, jenes Blatt, das nach dem Weltkrieg Grundlage für Springers späteren Aufstieg war. Nach nicht dementierten Medienberichten sollen bei Vollzug, spätestens zum 30. Juni 2014, 660 Millionen Euro vom Kaufpreis fällig werden. Die restlichen 260 Millionen gewährt Springer der Funke Mediengruppe als Darlehen mit mehrjähriger Laufzeit.
Nach Bekanntwerden des Funke-Deals schoss die lange dahindümpelnde Springer-Aktie um mehr als elf Prozent nach oben. Nach Ansicht der Börsianer jedenfalls steht Springer mehr denn je für die digitale Zukunft, Funke dagegen eher für das alte, rückläufige Print-Geschäft. Ob das tatsächlich so ist? Daran lässt sich trefflich zweifeln. Funke-Geschäftsführer Thomas Ziegler betonte, für sein Haus erschließe sich aus der Übernahme der Springer-Titel „ein großes Potenzial“, um neue Wege „in der intelligenten Verzahnung beider Welten“ zu gehen. Auf dem Feld der gedruckten Magazine steigt die ehemalige WAZ-Mediengruppe jedenfalls zur Großmacht auf. Vor allem bei den Programmzeitschriften entsteht mit den vorhandenen und den gekauften Titeln ein Riese. Synergieeffekte bieten sich geradezu an, etwa durch Zusammenlegen von Programmredaktionen.
Allerdings: Nachdem das Bundeskartellamt die Übernahme der Springer-Regionalzeitungen sowie der Frauenmagazine durch Funke bereits genehmigt hat, meldete es Vorbehalte gegen den Kauf von Springers Programmtiteln sowie die weiteren geplanten Joint Venture für Vertrieb und Vermarktung an. Funke muss einen Teil der Programmzeitschriften weiterverkaufen, weil aus dem Oligopol von bisher vier Anbietern nur drei würden. Erwerber der Titel, darunter die Funk Uhr mit mehr als 500 000er-Auflage, soll die Klambt Mediengruppe in Speyersein. Die Einwände, die das Kartellamt wegen der Finanzierungsmodalitäten hatte, sind wohl beseitigt, wie das Kartellamt selbst Ende März bestätigte. Danach soll der Weiterverkauf an Klambt möglich sein, wenn daraus ein echter Wettbewerb entstehe. Die noch ausstehenden Entscheidungen der Kartellbehörde sollen am 22. April fallen. /-da

Herausforderung Transformationsprozess

Dr. Christoph Müller, Jahrgang 1957 und geschäftsführender Gesellschafter der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln, ist Vorsitzender des Verbandes der Zeitschriftenverlage in Nordrhein-Westfalen e.V. (VZVNRW), einem von fünf Landsverbänden der Dachorganisation VDZ. Laut Eigendarstellung vertritt der VZVNRW rund 100 Mitgliedsverlage. Nach grober Schätzung gibt es weitere 40, die nicht dieser Organisation angehören. „Das dürfte aber wechseln, denn es gibt immer wieder neue Verlage. Zudem geben die meisten auch Bücher heraus und sind unter Umständen Mitglied im Börsenverein des Deutschen Buchhandels“, erklärt Müller. Die Mitglieder kommen aus allen Sparten: Publikums-, Spezial-, Fach- und konfessionelle Zeitschriften.
Überhaupt sei der Begriff Verlag mittlerweile oft falsch. „Die Verlage haben sich zu Medienunternehmen entwickelt, die ihre Veröffentlichungen in allen medialen Ausprägungen an die Kunden weitergeben “, sagt der Verbandsvorsitzende. Als größte Herausforderung der Medienunternehmen – in NRW genauso wie anderswo – nennt Dr. Christoph Müller den Transformationsprozess von früher nur Print zu Print und Online bis hin zu nur Online. „Das geht je nach Zielgruppen unterschiedlich schnell“, meint er. „Vor allem aber lautet die Frage: Wie lässt sich unsere Dienstleistung monetarisieren? Wenn unsere Kunden nicht bereit sind, dafür Geld auszugeben, werden sie auch keine gut recherchierten Informationen mehr bekommen“, unterstreicht der Familienunternehmer in fünfter Generation. Dabei sieht er einen kleinen Vorteil für die Fachverlage: „Unsere Informationen sind für die jeweilige Zielgruppe ein Must-to-have, weil sie sich weiterbilden muss.“ /-da

Eines der ganz großen Medienhäuser Deutschlands, der Heinrich Bauer Verlag, ist in Köln mit einer Dependance vertreten. Dort sitzen die Redaktionen der Auto Zeitung sowie des Do-it-yourself-Magazins Selbst ist der Mann.

Zu den Kölner Gewächsen zählt auch die Emma der streitbaren Gründerin, Verlegerin und Herausgeberin Alice Schwarzer. Und auch die prisma-Redaktion hat ihren Sitz in Köln. Das TV-Supplement, das Tageszeitungen in West und Ost beigelegt wird, ist ein unscheinbarer Riese. Prisma erreicht nach Verlagsangaben 6,5 Millionen Leser, die Gesamtauflage liegt bei rund 4,17 Millionen. Allein in NRW werden 2,6 Millionen Exemplare verkauft. Online ist prisma mit einem ständig aktualisierten TV-Guide vertreten.

Nicht zuletzt wurde in Köln 1905 der Dr. Otto Schmidt Verlag gegründet. Mit seinen Zeitschriften, Büchern, digitalen Auftritten und Seminaren zum Steuer- und Gesellschaftsrecht, zu Aktien- und Strafrecht und weiteren Rechtsgebieten hat der Verlag mit rund 120 Mitarbeitern auch politische Entwicklungen und Gesetze beeinflusst. Gründer Dr. Otto Schmidt, Volkswirt und Jurist, hatte die negativen Folgen einer von der Preußischen Regierung beabsichtigten Änderung der Besteuerung von GmbHs erkannt und Wirtschaftskreise darüber aufgeklärt. Das war die Keimzelle des Verlags, dessen Autoren zu einem großen Teil aus der Wissenschaft stammen.

Ähnlich, allerdings nicht in dieser Breite aufgestellt sind die Handelsblatt Fachmedien, dem der Dr. Otto Schmidt Verlag im Internetauftritt partnerschaftliche Verbundenheit bescheinigt. Die Handelsblatt Fachmedien, hervorgegangen aus dem Fachverlag der vhb, hat sich Anfang des Jahres neu sortiert. So wurde die Absatzwirtschaft – Zeitschrift für Marketing nach Hamburg an das Medienportal meedia.de, ebenfalls eine VHB-Tochter, weitergereicht. Die Zeitschrift Creditreform ging an die Corporate-Publishing-Tochter corps, die Auftraggeber wie BASF, die Bundesarchitektenkammer, das DRK, Gelsenwasser, die Kunstsammlung NRW und PricewaterhouseCoopers bedient. Die Handelsblatt Fachmedien beschränken sich damit jetzt auf den Recht, Wirtschaft und Steuern. Flaggschiff ist neben einigen kleineren Fachzeitschriften Der Betrieb mit betriebswirtschaftlichen, steuer- und arbeitsrechtlichen Themen.

Wirtschaft als Zeitschriftenthema funktioniert auch auf regionaler Ebene, wie zahlreiche Wirtschaftsinformationen zeigen. Dazu gehören natürlich die Publikationen der Industrie- und Handelskammern, beispielsweise IHKplus in Köln, Ruhr Wirtschaft in Dortmund oder Bergische Wirtschaft für die IHK Wuppertal – Solingen – Remscheid.

Neben den großen Fachverlagen gibt es über das Land verstreut kleinere Verlage, die Wirtschaftszeitschriften zu speziellen Themen oder mit regionalem Bezug herausgeben. Beispiele dafür sind der Verlag Neue Park Medien UG in Bochum mit dem Wirtschaftsmagazin Ruhr und der Dortmunder Fachverlag Dr. Helmut Arnold GmbH, der die Elektro Wirtschaft als Organ
des Bundesverbands des Elektro-Großhandels (VEG) e.V herausgibt, sowie die Nahverkehrs-Praxis als Fachzeitschrift für Nahverkehr, Verkehrsindustrie und Stadtplanung. In der Bielefelder Verlagsanstalt (BVA) erscheinen die Fachzeitschriften Sonne Wind & Wärme zu Formen der Erneuerbaren Energien sowie AutoRäderReifen – Gummibereifung für die europäische Reifenbranche.

In Bonn ist der Deutsche Anwaltverlag beheimatet, eine der ersten Adressen für juristische Fachverlage in Deutschland. Begonnen als Ein-Mann-Betrieb Anfang der 90er Jahre hat sich die Mitarbeiterzahl kontinuierlich auf mehr als 30 erhöht. Die Zusammenarbeit mit Anwälten, Richtern und Professoren als Autoren soll für die Zielgruppe für hohen praktischen Nutzen und wissenschaftliche Solidität sorgen. Neben zehn Zeitschriften finden Anwälte 300 Buchtitel zu verschiedenen Rechtsgebieten.

„Von Studenten für Studenten“ präsentiert sich das Hochschulmagazin Unicum, das zum Wintersemester 83/84 als 16-seitige, vierfarbige Nullnummer aus der Druckmaschine lief. Studentennahe Themen bildeten den Grundstock. Seitdem sind weitere Magazine für verwandte Zielgruppen hinzugekommen: Unicum Abi und Unicum Beruf. Daneben existieren als Online-Angebote das Informationsportal Unicum.de, das Hochschulverzeichnis Unicheck.de, die Jobbörse Unicum Karrierezentrum und Unikuscheln, eine Dating-Plattform. Der Verlag nahe am Bochumer Hauptbahnhof beschäftigt nach eigenen Angaben rund 40 feste Mitarbeiter.

Freizeit, Hobby und Kultur

Andere Kleinverlage und Mittelständer befassen sich mit Themen aus dem Freizeit- und Hobbybereich: In Herten gibt die Vestische Mediengruppe Welke GmbH & Co. KG das Magazin VW Szene heraus. Und mit der Motorrad Szene, so auch der Titel, beschäftigt sich der Syburger Verlag in Unna in neun Regionalausgaben. Visions heißt der Titel aus Dortmund, dessen Untertitel alles über den Inhalt sagt: Musik aus Leidenschaft.

In Sachen Sport ist Delius Klasing unterwegs. Vor allem bei Wassersportzeitschriften sind die Bielefelder führend, Spitzentitel ist Yacht. Allerdings sitzen die Redaktionen in Hamburg. Auch die Radsport-Magazine und Auto-Zeitschriften werden nicht in NRW redaktionell betreut. Ähnlich sieht es bei der BVA-Tochter Bike Media aus: Die Redaktionen der Zeitschriften zum Thema Radfahren sitzen in München. Zur BVA Media Group gehört auch der in Köln ansässige Deutsche Sportverlag (DSV) mit Titeln wie BoxSport, Vollblut, Sport-Welt und tippmit.

Städte und Regionen in Vielzahl

Wie das Sauerland bringen auch andere Regionen und vor allem Städte eine kaum überschaubare Zahl an Magazinen hervor. Dazu zählt Westfalium, das Magazin für Gesellschaft, Kultur und Lebensart, das in Münster erscheint und den Untertitel „Gutes Leben in Westfalen“ trägt. 60 Jahre Kultur stecken hinter dem Westfalenspiegel aus Münster, dem Magazin für Kunst, Museen, Literatur, Theater, Musik, Geschichte, Film, Architektur und Alltagskultur in Westfalen. Auf Kultur setzt auch das Heft In R(h)einkultur aus Düsseldorf, hinter dem die Journalistin und Verlegerin Petra Kammann steht.

Zu den Klassikern unter Deutschlands Stadtmagazinen gehört die StadtRevue – Das Kölnmagazin, das seit 35 Jahren jeden Monat auf mehr als 160 Seiten aus Politik und Kultur berichtet. Entstanden ist die StadtRevue aus den sozialen Bewegungen der 70er Jahre. Es ist immer noch ein Anliegen der Redaktion, sich aktiv publizistisch in die politischen Diskussionen der Stadt einzubringen oder diese gar anzustoßen.

Das Pendant in Bonn ist die Schnüss, ebenfalls vor mehr als 35 Jahren aus den alternativen Bewegungen entstanden und wegen kontroverser Titel und polarisierender Glossen wiederholt Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Nach wie vor berichtet das Blatt über lokale Nischenthemen, über Kulturelles sowie politische und gesellschaftliche Fragen.

Auch kleinere Städte haben Stadtmagazine: Herten erleben wird von Gregor Spohr herausgegeben. und erscheint vierteljährlich im RDN-Verlag in Recklinghausen, der auch das JOURNAL produziert. Der gleiche Verlag veröffentlicht sechsmal im Jahr Wohin in Marl mit Veranstaltungstipps. Außerdem verlegt das Unternehmen mit Stefan Prott an der Spitze Firmen- und Kundenzeitschriften.

Veranstaltungen, Musik, Theater, Film, Kultur, Ausgehen sind die Themenfelder von coolibri. Das Magazin liefert Tipps für Bochum, Dortmund, Essen, Duisburg, Düsseldorf und Wuppertal. Erhältlich ist es kostenlos an fast 3 000 Auslegestellen in Szenekneipen, Kinos etc. Gratismagazine gibt es auch in anderen Städten , in einer Großstadt wie Köln sogar mehrere, darunter Stadtzauber, Choices und Seconds.

Und weil Stadtmagazine ihr Publikum finden, sind auch manche Zeitungsverlage eingestiegen. So macht das Magazin Kölner aus dem Haus M. DuMont Schauberg der StadtRevue Konkurrenz. Mein Rheinland in Düsseldorf erscheint unter dem Dach der Rheinischen Post und berichtet sechsmal jährlich auf Hochglanzpapier über das Leben und Wohnen im Rheinland. Zur RP-Familie gehört auch die rheinland media & kommunikation GmbH, ein Fachverlag, der mehr als 30 Fachmagazine entwickelt, produziert und vermarktet– Zeitschriften wie Rheinlands Reiter + Pferde, der Kriminalist, Rheinisches Zahnärzteblatt oder Mein Bauverein.

Zeitschriften sind natürlich auch ein Betätigungsfeld für freie Journalisten. Allerdings werden die Zeiten nach Einschätzung von Lothar Hausmann, dem DJV-Fachausschussvorsitzenden, eher schlechter. Das erfährt er auch mit der Redaktionsgemeinschaft im Medienhaus Dortmund, die er vor Jahren aufgebaut hat: „In Hochzeiten saßen hier 14 Kolleginnen und Kollegen, jetzt sind wir nur noch zu sechst.“ Seinerzeit konzipierten und erstellten die Kollegen
für verschiedene Auftraggeber Zeitschriften und Magazine mit Titeln wie Ökoline und Naturreport, die auch am Kiosk auslagen.

Mühseliges Auskommen für Freie

Mittlerweile haben sich die Medienhäusler auf Corporate Publishing verlegt. „Firmen- und Kundenzeitschriften zu erstellen bietet zumindest noch ein Auskommen.“ Aber längst nicht verlässlich für jeden. Als Taxifahrer oder Servicekraft in einem Lokal müssen manche freien Kolleginnen und Kollegen das hinzuverdienen, was sie im Journalismus nicht mehr erwirtschaften können.

Vielleicht gibt es doch einmal die zündende Idee für ein neues Magazin. Den Wunsch gibt es offensichtlich immer wieder, wie nicht nur die Neugründungen im Sauerland zeigen, sondern auch verschiedene Projekte, die auf Crowdfunding-Plattformen um finanzielle Unterstützung werben (vgl. JOURNAL 5/13). Vielleicht ist ja eine Zeitschrift dabei, die dem Trend der Zeit entspricht und eine neue Erfolgsgeschichte in NRW schreiben kann.||

Helmut Dahlmann

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