Deutscher Journalisten-Verband Landesverband Nordrhein-Westfalen

Bildjournalisten kämpfen mit ungünstigen Marktbedingungen

Zwischen Masse und Klasse

Eigentlich hat der Bildredakteur Martin Büdenbender eine bildjournalistische Erfolgsgeschichte zu erzählen. Sie handelt davon, wie der Bildjournalismus in gleich fünf Lokalredaktionen eines Landkreises einen ganz neuen Stellenwert bekam. Und wie etwas möglich wurde, was zuvor auf dem Lande nicht so üblich war: Bildredakteure sagten Lokalchefs, wo es lang geht – optisch.

Der erste Regionale Newsdesk der WAZ-Mediengruppe machte das möglich. 2008 bekamen Büdenbender und sein Kollege Guido Raith den Auftrag, zusammen mit einem weiteren Foto-Kollegen nicht nur die Lüdenscheider Redaktion, sondern die gesamte Region zu betreuen. Das Thema Bild sollte für alle auf ein neues Niveau gehoben werden.

Veto für Schecküberreicher

Die Bildredakteure bekamen einen regionalen Dienstplan und weitreichende Kompetenzen. „Wir Fotoredakteure hatten einen ganz neuen Stellenwert“, erinnert sich Büdenbender gern an die diskussionsreiche Anfangszeit mit der einen oder anderen Redaktionsleitung. Vereinsjubilare, Schecküberreicher und wiedergewählte Vereinsvorstände wurden zum Tabu für die Aufmacherfotos. Das besondere, außergewöhnliche Bild zählte. Gefragt war das Foto, das den Betrachter auf den ersten Blick in seinen Bann zog. Natürlich galt es anfängliche Skepsis und Widerstände zu überwinden. „Die Rückendeckung von Deskleiter Ralf Münstermann und Chefredakteur Klaus Schrotthofer hat uns dabei geholfen“, erinnert sich der Lüdenscheider.

Das frühzeitige Gespräch über Themen und die bildjournalistische Umsetzung wurde zur Normalität. Es gelang, mehr als 30 Redakteurinnen und Redakteure dazu zu bringen, für jede Seite erst einmal ans Aufmacherfoto zu denken, ans optisch Gute, ans Aufmacherbild ohne Text-Bild-Schere.

Der Gewinn an Bildqualität war kostenneutral. Das Konzept wurde mit den vorhandenen Ressourcen umgesetzt. Dennoch ist diese Erfolgsgeschichte heute nur noch Erinnerung. Der Regionale Newsdesk und die fünf Lokalredaktionen im Altkreis Lüdenscheid sind 2013 zusammen mit den anderen Lokalredaktionen der Westfälischen Rundschau verschwunden. Der Belegschaft wurde gekündigt.

Kostenneutrale Qualitätssteigerungen wären zwar immer noch gefragt. Aber sie scheinen bei vielen Tageszeitungsverlagen nicht an erster Stelle zu stehen. Statt dessen ist Stellenabbau angesagt. Redaktionsschließungen, verlagsübergreifende Übernahme von Texten und Bildern, mitunter von kompletten Seiten. Besonders leidvoll bekommen das auch die freien Bildjournalisten zu spüren, die für ein Gutteil der Fotos im Blatt sorgen.

Vielen Freien gehen die Optionen aus

„Da gehen mir und meinen Kollegen Kunden verloren und die Optionen aus“, stellt Wolfgang Birkenstock mit Blick auf die kontinuierlich schrumpfende Zahl von Tageszeitungsredaktionen fest. Der neue Vorsitzende des Fachausschusses Bild im DJV-NRW ist seit 2003 als freier Pressefotograf im Einsatz. Als drastisches Beispiel für verloren gegangene Auftraggeber nennt er – wenig überaschend – Dortmund: „Dort gibt es nur noch eine Tageszeitungsredaktion, bis 2013 waren es drei.“

Zu denen, die davon direkt betroffen ist, gehört die Dortmunder Bildjournalistin Anja Cord, auch Mitglied im Fachausschuss Freie Journalisten des DJV-NRW. „Ich wäre gerne mit der Tageszeitung alt geworden.“ Das sagt sie auch mit Blick auf die gute Zusammenarbeit mit Texterinnen und Textern. In den vergangenen eineinhalb Jahren musste sie sich neue Auftraggeber suchen. Die findet sie mitunter in der PR, im Corporate Publishing, in der Öffentlichkeitsarbeit: „Da ist der Markt.“ Sich neue Kundschaft zu suchen eröffne zwar Super-Chancen, sei aber auch sehr anstrengend. „Das monatliche Minimum zu haben ist zurzeit nicht immer gewährleistet“, sagt sie.

Solche Durststrecken hat Birkenstock nicht zu überstehen. „Gut, dass ich deutschlandweit tätig bin“, sagt der Aachener. Das verschafft ihm auch einen Überblick über das „nicht gerade prickelnde“ Honorarniveau in der Republik: „Im Westen gibt es im Schnitt 20 bis 30 Euro pro Bild, oft aber auch nur 15 Euro. 40 Euro sind schon ein Ausschlag nach oben. Etwas höher kann es in Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg ausfallen.“ Birkenstock fügt hinzu: „Ich kenne keine Zeitung, bei der die Honorare in den vergangenen Jahren gestiegen wären, und auch keine Redaktionen mit erhöhten Etats.“ Eher gingen die Honorare noch runter. Die Inflationsrate bedeute einen zusätzlichen Einkommensverlust. „Das kann man nur kompensieren, indem man Masse macht.“ Der Fachmann für Sportfotografie zählt bis zu 50 Tageszeitungen zu seinen Kunden.

Auf die vielfach kontrovers diskutierten Vergütungsregeln für Bildhonorare angesprochen, sagt Birkenstock: „Ich habe die noch nirgendwo bekommen. Und ich kenne auch niemanden, der sie bekommt.“ Genau wie bei den Textkollegen bleibt nur der Klageweg, wenn Zeitungen sich nicht an die Vereinbarungen halten, die der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger unterzeichnet hat. Birkenstock sieht sich und die Kollegen deshalb „immer in der schwächeren Position. Wir wollen ja auch nicht unsere Kunden verlieren.“

Es gibt allerdings auch eine Schmerzgrenze, bei deren Unterschreiten Birkenstock nicht mehr mitmacht: „In den neuen Bundesländern werden teilweise nur sieben bis acht Euro fürs Bild gezahlt.“

Für den DJV-Landesvorsitzenden Frank Stach unterstreichen diese Verhältnisse die Forderung nach gesetzlichen Reformen. „Gewerkschaften und Berufsverbände müssen die Möglichkeit erhalten, Verbandsklage erheben zu können, wenn Vereinbarungen nicht eingehalten bzw. umgesetzt werden“, sagt der TV- und Hörfunkjournalist. Das Problem bestehe nicht nur bei der Vergütung von Bildern. Auch bei anderen Texten würden die in der Zeitungsbranche vereinbarten Regeln vielfach umgangen.

Würden Bilder besser bezahlt, müssten Bildjournalisten nicht so häufig auf Masse setzen. Sportfotograf Birkenstock erläutert: „Bei 15 Euro fürs Bild kann ich mich beispielsweise nicht lange beim Stabhochsprung aufhalten, um die besondere Aufnahme zu machen, mit der dann ein Porträt über eine Athletin bebildert wird. Da muss ich stattdessen möglichst viele Wettbewerbe für möglichst viele Abnehmer fotografieren.“

„Wer gut ist, findet seinen Weg“

Es gibt auch Publikationen, die Bildjournalisten wesentlich besser bezahlen als Tageszeitungen. „Magazine wie Stern, Geo, National Geographic oder DU, aber auch die erstaunlich hohe Zahl an Special-Interest-Titeln haben einen unverminderten Bedarf an Bildern, die aus der Masse herausragen,“ sagt Fotograf Michael Ebert im Interview mit dem Fachmagazin digit!. Der Leiter des Studienganges Bildjournalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal stellt dabei grundsätzlich fest: „Wer gut ist, findet seinen Weg.“ Allerdings: „Vom Magazin-Journalismus können nur noch die Allerbesten leben. Wer überleben will, schafft das nur mit einer Mischkalkulation – also unter Einbeziehung des nach wie vor verpönten Corporate Publishing.“

Dem stimmt der Kölner Fotojournalist Bernd Arnold zu. Er hat in den vergangenen 25 Jahren für fast alle namhaften Zeitschriften im Lande gearbeitet. Hinzu kommen Aufträge im Bereich PR, im Coporate Publishing und von Firmen. Darüber hinaus ist er künstlerisch-dokumentarisch tätig, mit Bildproduktionen und Ausstellungen. „Diese Arbeit trägt auch dazu bei, dass journalistische Aufträge oder Anfragen aus dem Corporate Publishing kommen“, sagt er. Für ihn sei es wichtig, „mit einer eigenen Sicht an die Aufgaben heranzugehen, mit speziellem Wissen, speziellen Zugängen und speziellen Blickwinkeln“. Dadurch könne er der schwieriger gewordenen Auftragslage etwas Positives abgewinnen. Rückblickend stellt er zur Marktsituation fest: „Die Zahl der ausgebildeten Fotografen ist heute exorbitant höher.“ Früher habe es vier Hochschulen gegeben, heute seien es um ein Vielfaches mehr.

Wie es für Bildredakteur Martin Büdenbender weitergeht, ist eine offene Frage. Mittlerweile ist auch er als Magazin-Journalist unterwegs. Zusammen mit ehemaligen Tageszeitungskollegen arbeitet er für ein 2013 gegründetes Regionalmagazin. Und da profitieren alle von den Bilderfahrungen, die sie mit dem regionalen Newsdesk gesammelt haben.||

Uwe Tonscheidt

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