Deutscher Journalisten-Verband Landesverband Nordrhein-Westfalen

Der Zoll prüft verstärkt, ob Freie wirklich frei sind.

Scheinselbstständig?

Vorladung zu einer Befragung durch den Zoll: Wer so einen Brief bekommt, wird sich erst mal erschrecken. Erhalten haben solche Schreiben in den vergangenen Wochen zahlreiche Pauschalisten, die für das Kölner Medienhaus M. DuMont Schauberg (MDS) arbei­ten. Nach Hin­weisen von Betroffenen besteht der Verdacht, dass MDS systematisch Freie als Pauschalisten beschäftigt, die eigentlich als Redakteure angestellt sein müssten.

Scheinselbstständigkeit? Da war doch vor Jahren schon mal was und ist dann wieder eingeschlafen. Warum also kocht das Thema gerade jetzt wieder hoch? Im Rahmen der Gesetzgebung über den Mindestlohn hat die Bundesregierung auch die ­Bekämpfung illegaler Beschäftigung verschärft und dafür die Kontrolle von Arbeitsverhältnissen neu geregelt. Dabei geht es nicht nur um Arbeitgeber, die den Mindestlohn unterlaufen, sondern auch um Arbeitsverhältnisse, die nicht ordnungsgemäß bei der Sozialversicherung gemeldet wurden. Für beides ist nun der Zoll zuständig. Und der prüft offenbar schärfer als die bisher ­zuständigen Instanzen Deutsche Rentenver­sicherung und Krankenkassen.

Wer als Mitglied des DJV-NRW mit einer solchen Prüfung konfrontiert ist oder die Vor­ladung zur Zeugenbefragung erhällt, sollte sich in der Geschäftsstelle in Düsseldorf melden. Schließlich zählen Beratung und Rechtsschutz zu den besonders wertvollen DJV-Leistungen.

Was geprüft wird

Was der Zoll die Freien fragen könnte, ­erklärt Christian Weihe, Justiziar des DJV-NRW: „Um den Verdacht der Scheinselbstständigkeit zu belegen, werden zum Beispiel Fragen zur konkreten Ausgestaltung des Arbeits­verhältnisses gestellt: Hat der Freie einen festen Arbeitsplatz in der ­Redaktion? Gibt es eine Anwesenheitspflicht, oder ist er frei in der zeitlichen Gestaltung seiner Arbeit? Sind seine Arbeits­zeiten Teil des Dienstplans in der Redaktion, und ist er in die Urlaubsplanung eingebunden?“

Entsprechende Fragen wird dann auch der Auftraggeber für jeden untersuchten Fall beantworten müssen. Wenn er die Selbstständigkeit dabei nicht plausibel belegen kann, wird er mit einer Geldbuße oder einem Strafverfahren belegt und muss die fälligen Sozialversicherungsbeiträge für die zurückliegenden Jahre nachzahlen.

Natürlich treibt viele Freie die Sorge um, dass das Ganze zu ihren Ungunsten ausgehen könnte – etwa indem der Verlag sie an den Nachzahlungen beteiligt. Christian Weihe beruhigt: „Das kann er in den meisten Fällen nicht. Die Sozialversicherungsbeiträge sind zum wesentlichen Teil vom Arbeitgeber zu zahlen. Das Gesetz schützt die Freien weitgehend vor Rückforderungen.“ Ausführlichere Erläuterungen dazu gibt es von Freienreferent Michael Hirschler auf den Seiten des Bundesverbands (Meldungen vom 10. und 13. April 2015). NRW-Justiziar Weihe macht zudem deutlich, dass die nachträg­liche Statusänderung für schlecht bezahlte Freie unter Umständen ­sogar positiv sein kann – wenn die nachgezahlten Arbeit­geber­anteile zur Rentenversicherung das Niveau der Altersbezüge anheben.

Kritisch wird es am ehesten für diejenigen Freien, die echte Selbstständige sind, obwohl sie mehr als 80 Prozent ihres Umsatzes bei einem Arbeitgeber machen, und die nicht Mitglied der Künstlersozialversicherung (KSK) sind (siehe Kasten unten).

Am wenigsten Sorgen müssen sich umgekehrt diejenigen machen, die unzweifelhaft selbstständig sind und als KSK-Mitglied in die Rentenversicherung einzahlen. Allerdings können auch sie von ihrem Arbeitgeber oder vom Zoll befragt werden. Wer Rechtssicherheit über den eigenen Status haben möchte, kann die Deutsche Rentenversicherung um Klärung der Selbstständigkeit bitten. Zuständig dafür ist die Clearingstelle.

Vertrag einfordern

Und was ist mit denen, die der Zoll nach umfänglicher Prüfung als „falsche Freie“ (also als Scheinselbstständige) einstuft? Die haben ­Anrecht auf einen regulären Anstellungsvertrag und sollten diesen von ihrem Arbeitgeber natürlich einfordern. Falls dieser den Arbeitsvertrag verweigert oder dem Freien kündigt bzw. das „Ende der Zusammenarbeit“ erklärt, ist der nächste Schritt eine Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses und Klage auf Kündigungsschutz. Die Arbeitsgerichte verhandeln und entscheiden das in der Regel zeitnah.

Corinna Blümel

JOURNAL 3/15

Handlungsbedarf

Wirklich Handlungsbedarf besteht vor allem für eine Gruppe von Freien: Wer als echter Selbstständiger einen Auftraggeber mit ­einem Umsatzanteil von mehr als 80 Prozent hat, aber nicht in der Künstlersozialkasse ist und damit keine Rentenversicherung hat. Diese Freien sind in der Regel als arbeitnehmerähnliche Selbstständige in der Deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig und müssten ggf. sehr hohe Nachzahlungen leisten.

 

Konkret wird der volle Rentenbeitrag (derzeit 18,7 Prozent) für das aktuelle Jahr sowie die vorherliegenden vier Jahre fällig. Insgesamt fiele also fast ein ganzes Jahreshonorar als Rentennachzahlung an. Das heißt: Wer als arbeitnehmerähnlicher Selbstständiger weder über den Arbeitgeber noch die Künstlersozialversicherung rentenversichert ist, sollte sich schleunigst beim DJV beraten lassen.

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