Deutscher Journalisten-Verband Landesverband Nordrhein-Westfalen

Messenger Journalismus: Tageszeitungen entdecken WhatsApp als Nachrichtenkanal

Mein Freund, die Zeitung

Das Handy fiept. Eine WhatsApp. „Schönen guten Morgen! Brr, was für ein fieses Wetter da draußen, oder?“ Garniert ist die Frage mit zwei Emojis – einem Regenschirm-Bildchen und einer dunklen Wolke. Das sieht zwar aus wie der Montagmorgen-Aufmunterungsgruß eines Freundes oder einer Kollegin, kommt aber nicht von einem persönlichen Bekannten. Sondern vom Kölner Express. „Ob wir am 11.11. *Emoji: Partyhut* auch bibbern müssen, verraten wir hier“, geht es weiter, gefolgt vom Link zur Wettervorhersage bei express.de. Zwei bis drei weitere Anreißer – darunter etwas zum 1. FC Köln – komplettieren den WhatsApp-Newsletter. Am Schluss die Abschiedsformel: „Komm‘ gut in die Woche und vergiss den *Emoji: Regenschirm* nicht! LG Inga“

Lockerleichter Tonfall

Inga Methling ist Social-Media-Redakteurin beim Express. Gemeinsam mit einem kleinen Team betreut sie die redaktionellen Plattformen auf Facebook, Twitter – und eben WhatsApp. Dreimal am Tag verschickt das Boulevardblatt aus dem Hause DuMont seine Teaser an rund 10.000 Abonnenten.

Die Themenmischung entspricht dem Mutterblatt: etwas Blaulicht, viel Buntes, ab und zu Breaking News und natürlich möglichst viel Lokalkolorit. Verpackt werden die kölschen News in einen lockerleichten Ton. Auf WhatsApp ist man per Du. Inga Methling findet den Kanal „viel privater“ als Facebook oder Twitter. „Die Leute sehen uns wie einen Freund.“

Ein Freund, der süchtig nach Emojis ist: Im Express-Newsletter wimmelt es von lachenden, weinenden und stirnrunzelnden Smileys, dazu kommen je nach Bedarf Flaggen, Kaffeetassen, Autos, Tiere. Zuweilen scheint das Bemühen, wie ein Privat-Chat rüberzukommen, den Blick fürs journalistisch Angemessene zu trüben – etwa wenn ein Krankenwagenbildchen die Meldung über einen Auffahrunfall mit Schwerverletzten abschließt. „Wir benutzen Emojis viel und gerne“, sagt Inga Methling. „Das hebt uns auch von anderen Medienmarken ab. Bei denen empfinde ich den WhatsApp-Kanal oft als ziemlich langweilig.“

Die angesprochene Konkurrenz sieht das naturgemäß anders. Im Whatsapp-Kanal der Rheinischen Post aus Düsseldorf etwa sucht man Emojis vergeblich. „Am Anfang haben wir damit ein bisschen experimentiert“, erzählt Daniel Fiene, Leiter redaktionelle Digitalstrategie und Head of Audience-Engagement bei der RP. „Doch das fanden die Nutzer eher befremdlich. Sollen wir bei einem Raubüberfall eine Pistole dazustellen? Das würde den Leuten zu Recht aufstoßen.“ Nicht nur Ältere, auch die mit dem Internet aufgewachsenen „Digital Natives“ fühlen sich durchaus genervt von zu viel Spielerei – ebenso wie von zu vielen Newslettern. Hier sind Fingerspitzengefühl und Zielgruppenkenntnis gefragt (siehe Interview mit Philipp Steuer).

Direktes Feedback

Express-Redakteurin Inga Methling verzichtet nur „bei Verbrechen oder gar Terror“ auf Emojis. Eine Abfrage bei den Abonnenten bestärkte sie darin: Mitte September ließ die Redaktion bei einem Newsletter alle Bildchen weg und bat die Nutzer um Feedback. Das Ergebnis: Bitte mit Emojis. An der kleinen Umfrage zeigt sich neben der Markenbindung ein weiterer unschlagbarer Vorteil, den WhatsApp für Zeitungen hat: das direkte Feedback. Täglich, so erzählt Methling, erhalte das Express-Team zwischen 50 und 80 Nachrichten mit Lob und Kritik, aber auch Hinweisen etwa auf Unfälle. Als Recherchetool, sagt sie, nehme WhatsApp mittlerweile einen festen Platz ein. Im Frühjahr, als Abi-Streiche in Köln zu Krawallen ausarteten, meldete sich ein Schüler per WhatsApp aus dem Krankenhaus und lieferte so Exklusivmaterial frei Haus.

Der Tonfall gegenüber den Redaktionen ist bei WhatsApp auffallend nett. Liegt es an der Sitution, die einem persönlichen Gespräch ähnelt, oder an der Zielgruppe? Im Gegensatz zu Facebook oder Twitter wird jedenfalls kaum gepöbelt. Daniel Fiene nennt die Atmosphäre „flauschig“. Früher, erzählt Fiene, habe er social-media-geschädigten Redakteuren empfohlen, für einen Tag den WhatsApp-Dienst zu übernehmen. Danach hätten sie sich besser gefühlt. Auch er selbst habe es vorher noch nie in dem Maße erlebt, „tatsächlich mal ein Dankeschön für meine Arbeit zu erhalten“. Inzwischen sei man zwar aus den Flitterwochen raus, „trotzdem ist es immer noch ein sehr positiver Kanal“.

„Messenger Journalismus“

Facebook und Twitter sind für die meisten Redaktionen und Pressestellen längst Standardkanäle, um auf Inhalte aufmerksam zu machen und Feedback einzuholen. Aber soziale Netzwerke sind quasi öffentlich. Auf anderen Kanälen geht es noch direkter und persönlicher: mit den Messengern, die fast alle Menschen auf ihrem Smartphone haben. Platzhirsch ist trotz aller Datenschutzbedenken WhatsApp. Daneben gibt es zum Beispiel Threema, Insta, Telegram und Facebook Messenger.

Messenger eignen sich gut für „Push-Nachrichten“, also um Inhalte aller Art zu verteilen. Zugleich laden sie zum persönlichen Austausch zwischen Absender und Emfpänger ein. Deswegen läuft der Messenger Journalismus teilweise auch unter dem Begriff „Conversational Journalism“ – Journalismus im Dialogmodus./cbl

Diese Erfahrung teilt Daniel Fiene mit allen für WhatsApp zuständigen Redakteuren, mit denen das JOURNAL für diesen Beitrag gesprochen hat. WhatsApp ist ein ganz eigener Raum. Wäre die Kommentarspalte in Facebook ein Nachtclub mit gemischtem Publikum – teils ganz normal, teils aber auch schmierig oder auf Randale aus –, dann ist WhatsApp eher der taghelle, nette Italiener um die Ecke. „Nicht so anonym“, sagt Inga Methling. „Die Leute sind freundlicher.“

Und sie klicken: Im August erhielt der Express rund 100.000 Visits über WhatsApp, sagt Methling. Verglichen mit den 2,5 Millionen Visits, die Facebook im gleichen Zeitraum brachte, ist das überschaubar. Doch für 10.000 Abonnenten kann der Traffic sich wirklich sehen lassen.

Die guten Erfahrungen der Kölner decken sich mit denen anderer Zeitungsredaktionen in NRW. Ob in Düsseldorf, Duisburg oder Münster: Wer WhatsApp-Newsletter anbietet, erreicht eine wertvolle, weil aktive und aufgeschlossene Nutzerschar – und teilweise traumhafte Klickraten von bis zu 50 Prozent. Geöffnet werden die Nachrichten sogar von mehr als 90 Prozent der Empfänger. Wer Newsletter per Mail verschickt, kann von solchen Werten nur träumen.

Lokales als Breaking News

„Wenn es einen Unfall gibt, Straßen gesperrt sind, die Müllabfuhr nicht rechtzeitig kommen kann, dann sind das für unsere Leser Breaking News, weil sie ihren Alltag beeinflussen. Diese Nachrichten müssen die Leser dort erreichen, wo sie sich gerade aufhalten. Und das schaffen wir am besten über das Smartphone“, sagt Yannick Dillinger, Leiter Digitales und Mitglied der Chefredaktion bei der Schwäbischen Zeitung. Ähnlich wie Zeitungen in NRW haben die Baden-Württemberger früh begonnen, mit Messengern zu experimentieren.

Zunächst startete man im Januar 2015 mit SIMSme (siehe Kasten), nahm inzwischen aber das weiter verbreitete WhatsApp hinzu. Mehr als 14.000 WhatsApp-Nutzer erreicht die Schwäbische Zeitung mittlerweile über den Dienstleister WhatsBroadcast. Das Durchschnittsalter ist etwas niedriger als bei den Facebook-Auftritten der Zeitung. Dafür erhöhten sich die Zugriffe auf die Internetseite, denn die meisten Messenger-Meldungen beinhalten einen Link zur Homepage. „Unsere Öffnungsquote liegt bei 20 Prozent“, sagt Dillinger.

Videos, Fotos oder Nachrichten nur für den Messenger produziert die Schwäbische Zeitung bisher nicht. „Aufgrund der aktuellen Entwicklungen wäre das zwar sinnvoll“, sagt Yannick Dillinger. „Aber dazu haben wir nicht genügend Mitarbeiter – und aufgrund der noch fehlenden Geschäftsmodelle auch keine Einnahmen, um das zu realisieren.“/bb

Attraktiv gerade für Printliebhaber

Dass die WhatsApp-Angebote bei vielen Menschen offene Türen eingerannt haben, verdeutlicht eine Anekdote von Daniel Fiene: „Kurz nach dem Start unseres Kanals haben wir mal einen Hinweis auf das Angebot in der gedruckten Zeitung gebracht“, erzählt der RP-Journalist. „In den nächsten Tagen haben sich 2.500 Leute angemeldet. Wir waren baff.“ Ähnliche Erfahrungen machte Annette Kalscheur, Online-Koordinatorin bei der WAZ Duisburg: „Wir hatten uns vorgestellt, mit 500 Abonnenten anzufangen – aber es waren sofort doppelt so viele.“ Inzwischen sind es knapp 3.000, die die Duisburger Redaktion mit lokalen lnfos versorgt. Wenn in der Stadt zum Beispiel mal wieder eine Fliegerbome entschärft wird, hat das Team den Ergeiz, schneller zu sein als die Warn-App NINA des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Wie kommt es, dass ein neues Digitalangebot ausgerechnet bei den Printlesern so verfängt? „Wir erklären uns das damit, dass wir zwei Zielgruppen ansprechen: eine jüngere und eine ältere“, sagt Fiene.

Die Vermutung liegt nahe. Gestartet im Jahr 2009 in den USA, hat WhatsApp sich mittlerweile auch hierzulande einen festen Platz auf den meisten Smartphones erobert – über alle Altersgruppen hinweg. Und das, obwohl der Dienst, der 2014 von Facebook gekauft wurde, in Sachen Datenschutz umstritten ist. In Reaktion auf diese Diskussionen haben die Macher inzwischen zumindest eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung für alle Nachrichten eingerichtet. Der ARD/ZDF-Onlinestudie 2016 zufolge nutzt heute gut die Hälfte der deutschsprachigen Bevölkerung täglich WhatsApp. Die zuvor allgegenwärtige SMS hat der Dienst weitgehend ersetzt.

Mitten in die Freundesliste

Die Gründe für die Popularität liegen auf der Hand: WhatsApp ist kostenlos, leicht zu bedienen und ermöglicht neben dem Eins-zu-eins-Austausch auch Gruppengespräche. Ob Freundeskreise, Familien, Vereine, Arbeitskollegen oder Schulklassen: Das runde grüne Icon mit dem kleinen weißen Telefon gehört zum Alltag der Menschen. Und genau dahinein möchten die Zeitungen: zwischen all die Freunde, Bekannten und Verwandten in der Kontaktliste.

Zwar ist die monetäre Ausbeute gering. Trotzdem bringt ein WhatsApp-Kanal den Zeitungen gleich mehrere Vorteile: Zum einen erreichen sie Zielgruppen, die den traditionellen Medien bereits abhandengekommen sind. Zum anderen etablieren sie sich gleich auf dem wichtigsten Gerät: Zwei Drittel der Bevölkerung gehen über das Smartphone ins Netz. Damit sind Handys laut ARD/ZDF-Onlinestudie 2016 das meistgenutzte Gerät für den Internetzugang.

Doch wie bei jedem neuen Kanal gibt es auch Unwägbarkeiten, Risiken und Grauzonen. Das haben die bundesweit mehr als 40 Zeitungsverlage, die nach einer Einschätzung des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) mit WhatsApp experimentieren, teilweise leidvoll erfahren müssen. So auch in NRW, wo nach Recherchen des JOURNALs etwa zehn Zeitungen einen WhatsApp-Kanal betreiben – von der Aachener Zeitung bis zur Neuen Westfälischen in Bielefeld. Die meisten Kanäle haben zwischendurch Schiffbruch erlitten. WhatsApp selbst hat sie ausgebremst. Denn eigentlich ist der Dienst gar nicht für Businesskanäle gedacht. Bis vor kurzem hat er sie in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen explizit verboten.

Testphase „in Handarbeit“

Anfangs wurden WhatsApp-Newsletter ganz unbedarft vom Redaktionshandy aus verschickt. Als eine der ersten Regionalzeitungen in NRW starteten zur Jahreswende 2014/2015 die Westfälischen Nachrichten einen WhatsApp-Kanal mit regelmäßigen Push-Nachrichten. Versendet werden neben Breaking News aus Münster auch Servicemeldungen wie etwa Blitzerwarnungen. Die Anfänge erforderten enormen Aufwand, erinnert sich Carsten Voß, der Leitende Redakteur Crossmedia. Denn der Test lief „in Handarbeit“. Die Handynummern wurden einzeln in Listen eingepflegt, die maximal 256 Adressaten umfassen durften.

Wegen der unerwartet guten Resonanz waren innerhalb einer Woche sechs dieser Listen zu bespielen. Mühselig, aber auch lohnend: „Wir bekamen viel positives Feedback, Leser bedankten sich. Eine nach Amerika ausgewanderte Münsteranerin schrieb uns, wenn wir bloß weitermachten, würde sie auch dafür bezahlen.“

Nach einigen Wochen war der Redaktion klar: Der Service hat Zukunft, aber die Bedienung ist zu aufwendig. „Wir haben uns dann einen Dienstleister gesucht“, erzählt Voß. Firmen mit Namen wie InstaNews oder WhatsService schossen zu dieser Zeit wie Pilze aus dem Boden. Doch die Geschäftsgrundlage war in vielen Fällen fragwürdig, weil die Unternehmen keinen Vertrag mit WhatsApp hatten und zudem – ähnlich wie Spammer – selbstprogrammierte Schnittstellen nutzten. Damit fielen sie aus Sicht der WhatsApp-Betreiber in die gleiche Kategorie: Wer massenhaft und regelmäßig Nachrichten verschickt, wird gesperrt. Von heute auf morgen.

„Technische Probleme“ – der Crash

Genau das widerfuhr mehreren Dienstleistern und damit auch ihren Kunden. Betroffen waren etwa die Westfälischen Nachrichten, der Express, die Rheinische Post und die Duisburger Redaktion der WAZ. „Wir bekamen mitgeteilt, es gebe technische Probleme“, erzählt Annette Kalscheur. „Es bröckelte so ein, zwei Wochen lang. Und dann hatten wir auf einmal nur noch ein paar Stunden lang die Chance, unsere Abonnenten zu informieren, dass wir keine Nachrichten mehr verschicken können.“ Mehrere Dienstleister strichen komplett die Segel, drei von ihnen schlossen sich später mit dem Unternehmen WhatsBroadcast zusammen, das inzwischen die große Mehrheit der deutschen Zeitungskanäle betreut.

Das Schlimmste damals: Nicht nur der Kanal war weg, sondern auch die Abonnenten. Mitsamt Daten. Ein Rückschlag für die Redaktionen und ein Ärgernis für die Nutzer, die sich neu anmelden mussten. Viele Redaktionen haben aktuell noch immer einige tausend Abonnenten weniger als vor dem Breakdown.

Die Dienste laufen inzwischen stabil, die Rechtslage ist aber auch heute noch nicht ganz eindeutig. Franz Buchenberger, Geschäftsführer von WhatsBroadcast, gibt sich optimistisch: „Wir machen das jetzt seit mehr als 18 Monaten, und es gibt keine Probleme.“ Mit knapp 20 Mitarbeitern betreut seine Firma von München aus mehr als 500 Kunden, darunter nach eigenen Angaben 100 Zeitungsredaktionen, aber auch Zeitschriften, Sender und Unternehmen. Im Unterschied zu anderen Diensten, betont Buchenberger, verwende WhatsBroadcast die Original-App. „Wir benutzen die ganz normale WhatsApp-Funktion und haben drumherum unsere Technik gebaut."

Alternative SIMSme

SIMSme, der Messenger der Deutschen Post, hat mit 1,3 Millionen Nutzern (Stand September 2016) eine deultlich kleinere Reichweite als WhatsApp. Aber er gilt als sicher – ein Wettbewerbsvorteil in Zeiten, in denen so viel über den Datenschutz bei WhatsApp diskutiert wird. Derzeit verzeichne man bei SIMSme eine Verdreifachung der sonst üblichen täglichen Neuregistrierungen, sagt Marco Hauprich, Senior Vice President Mobile Labs der Deutschen Post. „Wir werden sicher nicht von einem anderen Unternehmen übernommen werden“, betont Hauprich. „Wir bieten außerdem eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, und die Daten liegen ausschließlich auf deutschen Servern.“

Seit 2015 gibt es sogenannte Content-Kanäle bei SIMSme. So können Nutzer die wichtigsten Meldungen von Medien oder Organisationen empfangen, ohne deren Apps auf ihrem Smartphone installieren zu müssen. Mit dabei sind die Schwäbische Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z), die Süddeutsche Zeitung, Kicker, Playboy, Bravo – aber auch der 1. FC Köln oder die Initiative Vermisste Kinder.

Zudem wird SIMSme bei großen Unternehmen zunehmend zur internen Kommunikation genutzt: Wo WhatsApp aufgrund des schwachen Datenschutzes und möglicher Industriespionage verboten ist, können Kommunikationsabteilungen ihre Mitarbeiter über SIMSme mit Informationen versorgen.
Medien, die den Dienst von SIMSme nutzen wollen, müssen nicht viel tun: Es reicht, einen RSS- oder Atom-Feed zu schicken, eine Beschreibung für den Kanal zu liefern.Die Kosten liegen bei monatlich 99 Euro. Hauprich rät dazu, nicht mehr als sechs Meldungen pro Tag zu senden. Die F.A.Z. verschickt jedoch deutlich mehr, andere viel weniger. Die Klickrate auf die Homepage der Absender liegt bei durchschnittlich 33 Prozent. Einige Medien erreichen aber mehr als 70 Prozent. Theoretisch können die Nutzer über SIMSme auch mit den Medien in Kontakt treten, ihnen also auf ihre Posts antworten. „Allerdings entscheidet jedes Medium selbst, ob es das möchte oder nicht“, sagt Hauprich./bb

Einen direkten Draht zu der US-Firma oder gar einen Vertrag mit WhatsApp hat aber auch WhatsBroadcast nicht. „WhatsApp lehnt jeden Kontakt ab“, sagt Buchenberger. „Selbst große amerikanische Medienfirmen kommen da nicht durch. Es gibt gar keine Ansprechpartner.“

Mit anderen Worten: Auch WhatsBroadcast operiert in einer Grauzone. Nur haben die Münchner offenbar eine Lösung gefunden, mit der sie die Filter von WhatsApp unauffällig passieren können. Oder wie es Funke-Manager Fridtjof Ebel ausdrückt: „Sie imitieren menschliches Verhalten besser.“ Ebel, der den sperrigen Titel Senior Produktmanager Mobile & Premium Content trägt, koordiniert den Einsatz der Dienstleister zentral für Funke. WhatsBroadcast, sagt er, biete den klaren Vorteil, mit einem Kanal mehrere Messenger gleichzeitig zu bedienen – neben WhatsApp werden auch Insta, Telegram sowie der Facebook Messenger bespielt.

Eine Frage der Konditionen

Doch der Markt bleibt in Bewegung. Der neueste Schrei sind Bots, automatisierte Programme, mit denen Messenger-Nutzer beispielsweise Kanäle in Dialogform nach interessanten Inhalten durchsuchen können. „Es ist auch eine Frage der Konditionen“, sagt Ebel. „Sollte WhatsApp zukünftig selbst einen günstigeren Dienst bieten, kann es sein, dass wir wechseln.“

Ebels Vermutung kommt nicht von ungefähr. WhatsApp will sich für kommerzielle Nutzer öffnen, wie Jan Koum, einer der Gründer, bereits Anfang 2016 auf einer Konferenz in München angekündigt hat. Dafür hat WhatsApp im Sommer bereits seine Nutzungsbedingungen geändert. Was bei vielen Nutzern einen Sturm der Entrüstung hervorrief, da sie den Ausverkauf ihrer Daten durch den Mutterkonzern Facebook befürchten, lässt Zeitungsmacher aufatmen. Die großen Fragen lauten nun: Wann geht es los? Und was genau wird kommen?

Einer, der es kaum erwarten kann, ist Daniel Fiene. „Was hier passiert, ist wunderbar. Endlich wird die kommerzielle Nutzung auf saubere Füße gestellt.“ Der RP-Journalist erhofft sich „viel mehr Möglichkeiten“ von den Business-Kanälen. „Bislang können wir ja nur One-to-many-Kommunikation machen. Da wäre aber noch viel mehr drin: Theoretisch könnte man in Kategorien arbeiten – etwa aufgesplittet nach Orten. Einen Düsseldorfer interessiert nun mal nicht wirklich, was zum Beispiel im Bergischen los ist. Das könnte man dann anpassen.“ Fiene rechnet damit, dass es schon in Kürze soweit sein könnte. Nach der Erfahrung mit dem gesperrten Dienstleister ist er aber vorsichtig geworden. „Wir haben unseren Dienst seit einem halben Jahr nicht mehr beworben. Es wäre möglich, dass wir wieder ganz von vorne anfangen müssen.“

Flexibel bleiben in der Pionierphase

Auch in den anderen Redaktionen versucht man, die Balance zu halten. Einerseits gilt es, den Kanal und seine wertvollen Abonnenten zu pflegen, andererseits muss man in Zeiten der Pionierarbeit flexibel bleiben – ganz abgesehen von der Personal- und Kostenfrage. Oft gibt es in den Verlagen auch die Sorge, mit dem WhatsApp-Kanal die eigene App zu entwerten.

Bei der WAZ ist zudem gerade ein großer Relaunch mit kompletter Umstellung der Digitalstrategie im Gange (siehe auch "Neue Funke-Digitalstrategie". Da rücken Pilotprojekte wie der Duisburger WhatsApp-Kanal erst mal in den Hintergrund. Langfristig wäre es aber unklug, wenn Funke das Potenzial nicht auch für die anderen NRW-Titel, etwa die WAZ Essen, nutzen würde. Fridtjof Ebel sieht das auch so: „Ich möchte unser WhatsApp-Engagement auf jeden Fall ausbauen, schon weil es ein zusätzlicher, spannender Kanal zu den Nutzern ist. Diesen direkten Kontakt hat man eben nur bei Social Media oder wenn die Leser in der Redaktion anrufen oder vorbeischauen.“

In der Redaktion vorbeigeschaut haben kürzlich einige WhatsApp-Abonnenten des Express. Am 25. Oktober um 20:32 Uhr fiept das Handy. Ein Foto zeigt etwa ein Dutzend Besucher in einem Großraumbüro. Ein Bildschirm an der Decke zeigt Angela Merkel im n-tv-Stream. Dazu die Nachricht: „Liebe Grüße aus dem Newsroom *Emoji Victory-Zeichen*“. Und „vielen Dank für den lieben Besuch und die nette Abwechslung“. Wenn das keine Freundschaft ist.||

Anna von Garmissen

 

JOURNAL 6/16

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