Deutscher Journalisten-Verband Landesverband Nordrhein-Westfalen

Trotz Ausbildung Angst vor der Zukunft

Volotag 2013: Für ihren Traumberuf nehmen Volontäre auch Selbstausbeutung in Kauf

Diese Volontäre sind wach, ehrgeizig und wollen engagierte Journalisten werden. Dass die Zukunft ihnen dabei meist weder einen festen Job noch herausragende Bezahlung verspricht, ist den jungen Leuten durchaus bewusst. Trotzdem ist Journalismus für viele immer noch ein Traumberuf. Der Volotag des DJV-NRW verdeutlichte, dass es sich daher lohnt, im Volon­tariat für eine gute und möglichst umfassende Ausbildung zu kämpfen. Am 26. Januar 2013 tauschten sich 28 Volontärinnen und Volontäre aus Nordrhein-Westfalen einen Tag lang in ­Essen aus. In diesem Jahr dominierte der Nachwuchs aus dem Lokalfunk, knapp die Hälfte der Teilnehmer absolviert hier ihr Volontariat.

Der Fachausschuss Junge Journalistinnen und Journalisten (FA3J) hat die Veranstaltung zusammen mit dem DJV-Bezirksverein Essen orga­nisiert und drei nutzwertige Workshops angebo­ten. Was ihnen auf den Nägeln brennt, thematisierten die Volontäre unter dem Titel „Mein Volo – Dein Volo“ mit Nicolas Schweers vom FA3J und Dr. Anja Zimmer, Geschäftsführerin des DJV-NRW. Im Workshop „Das Freien-Dasein“ berichtete der freie Journalist Pascal Hesse von seinem Alltag und von den Vor- und Nachteilen der Freiberuflichkeit. „Journalismus mit dem Smartphone – Mobile Reporting“ lautete der Titel des dritten praxisbetonten Workshops mit Social-Media-Experte Gregor Mayer.

Die Frage nach dem Job

In den Diskussionen zeigte sich, dass für alle Volontäre vor allem eine Frage im Raum steht: Werde ich nach meinem Volontariat einen Job bekommen? Frank Stach, Mitglied des Landesvorstandes des DJV-NRW, nannte dafür zwei unabdingbare Voraussetzungen: „Ja, wenn Sie technikaffin sind und für den Job wirklich brennen.“ Klar wurde in Essen: Journalismus ist für viele ein ambitionierter Beruf, für den ganz ­bewusst auch Selbstausbeutung in Kauf genommen wird. Ein Volontär im Lokalfunk berichtet, er habe pro Monat etwas über 900 Euro netto zur Verfügung und kommentierte das mit den Worten: „Man darf einfach nicht darüber nachdenken, wie wenig man verdient“.

Dabei entscheiden sich Nachwuchsjournalisten ganz bewusst für ein Volontariat – selbst bei unter­tariflicher Bezahlung: „Ich hoffe auf die Zukunft und dass sich diese Ausbildung formal auszahlt.“ „Ich sehe mich als billigen Vollredakteur, kann aber andererseits viele praktische Erfah­rungen machen“, sagten die jungen Kollegen. Dagegen steht aber auch die Frage: Warum braucht man überhaupt ein Volontariat, wenn man danach sowieso nicht als Redakteur arbeiten wird? „Wenn ich sehe, was gerade bei der Westfälischen Rundschau passiert, frage ich mich natürlich, was werden soll“, beschrieb ein Teilnehmer seine Existenzängste.

Weil viele Medien sich heute nicht mehr an Tarif­verträge binden wollen, sind Verdienst und Ausbildungsinhalte in den Volontariaten sehr unterschiedlich. Einzelkämpfer haben es nach den Erfahrungen der Volontäre schwer, Forderungen auch durchzusetzen. „Wir brauchen daher viele Menschen, die sagen: Das wollen wir nicht! Wenn Journalisten sich nicht gemeinsam wehren, werden sie das neue Prekariat!“, so die Warnung von Anja Zimmer vor immer schlechteren Arbeitsbedingungen.

Dass es sich lohnt, eine gute Ausbildung einzufordern, berichtete die 23-jährige Maxi Rüg­ge­berg. Die frisch gebackene Volontärin des Nordbayerischen Kuriers in Bayreuth erzählte von ihrem ungewöhnlichen und mutigen Kampf um ein Volontariat: Nach ihrem Bachelor mit Einser-Abschluss in Bochum, sechs Jahren freier Mitarbeit bei einer Tageszeitung, mehreren soliden Praktika und Weiterbildungen bewarb sie sich Mitte 2012 bei 20 verschiedenen Medien – und war entsetzt über die Angebote, die sie ­bekam. Ihrem Frust machte sie in ihrem Blog „Ausbeutungsmaschine Journalismus“ Luft – eine viel beachtete Branchenkritik.

Wirklich dreiste Angebote

„Ich habe wirklich dreiste Angebote bekommen“, sagte die 23-Jährige. Verlangt wurde unter anderem eine zwölfmonatige Hospitanz für 1 000 Euro brutto in einer Lokalredaktion, danach gebe es gegebenenfalls eine Zusage für ein Volontariat. Ein anderer Verlag erklärte beim Vorstellungsgespräch, ungefähr nach Tarif zu zahlen. Im Vertrag standen dann aber nur 1500 Euro brutto. Dabei stehen den Tageszeitungs­volontären im ersten Jahr tariflich 1781 Euro zu. Dafür waren hier pro Monat aber 42 Stunden pro Woche sowie bis zu 25 Überstunden pro Monat vereinbart, unbezahlt natürlich. „Ich habe ausgerechnet, dass ich damit auf etwa acht Euro brutto Stundenlohn käme“, sagte Rüggeberg.

Den Vogel habe ein Magazin in Düsseldorf abgeschossen, das der angehenden Volontärin 1 000 Euro brutto als Gehalt zahlen wollte. „Das ist Ausbeutung. Wie soll man damit ein Leben in der Landeshauptstadt finanzieren, ohne unter der Brücke zu schlafen?“, fragte Rüggeberg. Sie weiß aber auch: „Aus Angst, gar nichts zu bekom­men, lassen sich viele auf solche Bedingungen ein.“

Das zeigten auch die Rückmeldungen der Volon­täre in Essen: „Hattest du keine Angst, dass du mit deiner Kritik für die Branche verbrannt bist?“, wollte ein Volontär wissen. „Wenn ich solche Bedingungen in Kauf nehmen muss, ist mein Traum von Journalismus gestorben“, entgegnete Maxi Rüggeberg. Sie forderte die Volos auf: „Traut euch, seid mutig und kritikbreit. Scheut nicht die Auseinandersetzung mit der eigenen Branche.“

Dabei sollten sie nicht die Macht von Social ­Media unterschätzen: „Ohne Twitter und Facebook hätte ich nicht den Job, den ich heute habe.“ Denn ihre engagierte Kritik gefiel dem Chef­redakteur des Nordbayerischen Kuriers in Bayreuth so gut, dass er ihr ein Volontariat anbot – mit Bezahlung nach Tarif.

Angebote einfordern

Viele Verlage und Sender in NRW machen ihren Volontären Aus- und Weiterbildungsangebote, nicht alle orientieren sich dabei aber am Tarifvertrag. Üblich sind externe überbetriebliche Volontärskurse, manchmal aber kürzer als tariflich vorgesehen. In größeren Häusern werden zudem häufig interne Schulungstage angeboten. Auch externe Praktika sind möglich, oft aber nur auf ausdrückliche Nachfrage. Die Volontäre in Essen berichteten, dass sie Eigeninitiative zeigen und Angebote selbst einfordern müssten. Die Bewertung eines Teilnehmers: „Wenn jemand keine journalistischen Vorerfahrungen mitbringt, hat das Volontariat sicher Defizite. Die Ressourcen für eine intensive Ausbildung sind oft nicht da.“

Wert sollten junge Journalisten unbedingt auf die crossmediale Ausbildung legen, riet Nicolas Schweers, Vorsitzender des FA3J, seinen jungen Kollegen. Dass der Nachwuchs an der Arbeit mit den neuen Medien interessiert ist, zeigte auch das große Interesse am Workshop „Journalismus mit dem Smartphone: Mobile Reporting“, den Social-Media-Experte Gregor Mayer anbot. „Filmen, Fotografieren, Radio – journalistisch gesehen kann man mit einem guten Smartphone so gut wie alles machen“, sagte Mayer, der auch stellvertretender DJV-Vorsitzender in Rheinland-Pfalz ist.

In dem Workshop, der dreimal hintereinander angeboten wurde, drehten die Teilnehmer mit dem ­i-Phone jeweils einen kleinen Film, schnitten und vertonten ihn. Was dabei nach nur 1,5 Stunden herauskam, konnte sich sehen lassen. Video­aufnahmen mit dem Smartphone waren dabei für alle Volontäre Neuland. „Natürlich spare ich Cutter, Bildmischer und Tonassistent, wenn ich alles selbst mache. Insofern sind die neuen technischen Möglichkeiten auch eine ­Gefahr, weil Berufsgruppen wegrationalisiert werden“, so Mayer. Allerdings lasse sich der Trend, mobil und schnell zu produzieren, nicht mehr stoppen. „Auch in diesem Bereich brauchen wir daher eine gute und systematische Ausbildung, um Qualität liefern zu können“, sagte Mayer.

Perspektive mit Unbehagen

Obwohl den Volontären klar ist, dass viele von ihnen nach dem Volontariat frei arbeiten werden müssen, bereitet diese Perspektive den meisten Unbehagen: „Wenn es um den Spaß geht, will ich frei arbeiten, wenn es ums Geld geht, lieber fest.“ „Als Freier im Lokalfunk bekomme ich Zukunftsangst. Das ist keine Alternative.“ Diese zwei Stimmen trafen die Stimmung im Workshop „Das Freien-Dasein“ mit Referent Pascal Hesse. Klar wurde den Volontären: Wer freiberuflich arbeitet, braucht viel Eigeninitiative und muss gut organisiert sein. Freie müssen sich nicht nur um die manchmal nervige Buchführung kümmern, sondern jeden Tag auch an Akquise denken und gut vernetzt sein.

Der DJV-Bezirksverein Essen richtete den Volotag zusammen mit dem FA3J bereits zum zweiten Mal aus und finanziert die Veranstaltung maßgeblich. „Mit Angeboten wie diesem wollen wir Nachwuchsjournalisten für den DJV interessieren. Die derzeitige Lage ist nicht rosig. Der Volotag soll jungen Leuten die Möglichkeiten aufzeigen, die der Journalismus heute trotzdem noch bietet“, sagt Pascal Hesse (26), Vorsitzender des DJV-Bezirksvereins Essen.

Dagmar Thiel

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