Deutscher Journalisten-Verband Landesverband Nordrhein-Westfalen

DJV-NRW lehnt Tarifvertragsentwurf über Crossmedia-Honorare ab

WDR: Crossmedia als Sparmodell

Mit viel Stolz hat der WDR im Februar seine sogenannten Leuchttürme der Öffentlichkeit präsentiert: In den Bereichen Sport, Wirtschaft und Wissenschaft arbeiten Fernsehen, Hörfunk und Online künftig in gemeinsamen Redaktions- und Produktionsteams. So eröffnete Intendant Tom Buhrow in der zweiten Etage der WDR-Arkaden in der Kölner Innenstadt den crossmedialen „Sportcampus“ – ein Großraumbüro mit 92 Arbeitsplätzen. In der crossmedialen Redaktion Wirtschaft und Verbraucher sind es 85 Arbeitsplätze, bei der Wissenschaft 45.

Verständlich, dass sich dadurch auch Arbeitsweisen ändern. Den freien Journalistinnen und Journalisten droht dabei – mal wieder – eine Verschlechterung bei den Honoraren. Seit gut einem Jahr verhandelt der WDR mit den Gewerkschaften über die künftige crossmediale  Vergütung und scheint nur ein Ziel zu kennen: Sparen auf Kosten der Freien.

Anfang Februar legte das Haus den Gewerkschaften nun den Entwurf für einen Tarifvertrag vor, dessen wesentliche Inhalte er nicht mehr verhandeln wollte. Die Verhandlungskommissionen von DJV und ver.di stuften den Vertrag als nicht akzeptabel ein.

Deutliche Ablehnung

Bestätigt wurde diese Einschätzung bei einer Freienversammlung, zu der die beiden Gewerkschaften Mitte Februar ins WDR-Funkhaus eingeladen hatten: Viele der Anwesenden reagierten mit Unmut auf den Vorschlag des Senders. Sie befürchteten zu Recht, dass sie für weniger Geld mehr arbeiten müssen. Von dem vollen Saal ging ein deutliches Signal aus: Diesem Vertragsentwurf stimmen die Freien nicht zu. Kurz darauf hat der DJV-NRW den Entwurf gegenüber dem WDR zurückgewiesen. Wie der Sender damit umgeht, stand bei Drucklegung noch nicht fest. Zu befürchten ist, dass er die Vergütung einseitig einführt.

Welche Positionen stehen also gegeneinander? Der WDR machte von Beginn an klar, dass er bei crossmedialer Beauftragung auch einen Spareffekt erwarte. Zwar wolle er den Honoraretat nicht senken, aber er möchte von freien Mitarbeitern mehr Inhalte bekommen – und das auch noch rabattiert haben. Kurz gesagt: Der WDR will mehr Leistung für weniger Geld.

Die Gewerkschaften kämpfen dagegen für eine soziale Absicherung und für praktikable Lösungen, die wenige oder keine Honorareinbußen bedeuten. Der DJV-NRW hätte sich zum Beispiel vorstellen können, das Crossi-Modell eines Pilotprojekts im Studio Wuppertal weiterzuentwickeln (siehe Kasten "Crossis in Wuppertal"). Zwar findet die Gewerkschaft den Wunsch nachvollziehbar, das Tarifsystem zu modernisieren und an digitale Zeiten anzupassen. Allerdings nicht um jeden Preis. Die vom Sender geplanten Abschläge für crossmediale Aufträge lagen im zweistelligen Prozentbereich: Auf bis zu 50 Prozent kalkulierten einzelne Kolleginnen und Kollegen bei der Freienversammlung Mitte Februar ihre potenziellen Verluste in diesem Bereich.

Besondere Bedeutung

Auch wenn es im Augenblick „nur“ um ein Tarifmodell für die Leuchttürme geht: Eine Einigung hier könnte zur Vorlage für crossmediale Vergütung im gesamten WDR werden. Deshalb ist klar, dass diesen Verhandlungen besondere Bedeutung zukommt.

Die bisherige Vergütungsstruktur sieht eine Vergütung jeweils getrennt nach den Medien Fernsehen, Hörfunk und Internet vor. Aus Sicht beider Seiten keine optimale Lösung, denn  crossmediales Arbeiten wird immer wichtiger. Dafür gibt es allerdings bisher keine eigenen Honorarziffern. Nur in Wuppertal gibt es das erwähnte Pilotprojekt, das jüngst um ein Jahr verlängert wurde (siehe Kasten „Crossis in Wuppertal“).

Nach Vorstellungen des WDR soll die crossmediale Vergütung künftig aus zwei Teilen bestehen: dem Stufenmodell und dem sogenannten Tagesreporter. Beide Vergütungsmodelle sollen parallel nebeneinander stehen.

Die Bezahlung nach dem Stufenmodell soll sich am Honorarrahmen orientieren, wäre aber ab dem zweiten Beitrag mit drastischen Abschlägen versehen (zu den Details siehe „Stufenmodell und Tagesreporter“). Das zweite Modell, der sogenannte Tagesreporter, ist nichts anderes als die Tagespauschale, die der WDR den Gewerkschaften schon länger abringen will. Der Tagesreporter soll im Normalfall eine Pauschale von 330 Euro erhalten. Bei besonderem Aufwand soll es 430 Euro geben. Das klingt für viele Freie mit anderen Auftraggebern erstmal durchaus attraktiv. Aber allein schon durch die Beschränkung möglicher Arbeitstage pro Monat („Prognose“) sind die Einkünfte deutlich gedeckelt.

Bisherige Zuschläge (zum Beispiel für Onlinenutzung, Eigenproduktionen oder für die Nutzung einer eigenen Kamera) sollen komplett entfallen. Ein tiefer Einschnitt für viele Kollegen wäre auch der Wegfall der Wiederholungsvergütung. Crossmediale Vergütung soll es nach Willen des WDR nur als E-Verträge geben.
Prinzipiell waren DJV-NRW und ver.di bereit, im Rahmen eines zeitlich befristeten Pilotprojektes neue Vergütungsregelungen zu erproben. Allerdings haben die Gewerkschaften deutlich gemacht, dass so ein weitreichendes Zugeständnis an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist. Dazu gehört eine soziale Absicherung für Kolleginnen und Kollegen, die durch die crossmediale Honorierung Einkommensverluste hinnehmen müssen. Außerdem hatten die Gewerkschaften eine deutliche Anhebung der vorgeschlagenen Vergütungen gefordert.

Bei beiden Punkten zeigte sich der Sender unnachgiebig, ohne das Entgegenkommen der Gewerkschaften zu würdigen. Entgegen aller gegenteiligen Lippenbekenntnisse soll die crossmediale Honorierung tatsächlich doch vor allem ein Sparmodell des WDR sein. Eine faire Rücksichtnahme auf die Interessen der freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist da wohl nicht vorgesehen.

Stufenmodell und Tagesreporter

Nach Vorstellung des WDR soll es künftig in den Leuchttürmen Sport, Wirtschaft und Wissenschaft zwei Vergütungsmodelle geben.

  • Stufenmodell: Das Modell sieht vor, dass der teuerste Beitrag regulär nach dem Honorarrahmen vergütet wird. Alle folgenden Beiträge sollen mit 50 Prozent der jeweiligen Honorarziffer bezahlt werden.
    Eine Sonderregelung soll es für Kollegengespräche geben. Bei mehreren Gesprächen zum gleichen Thema beträgt das Honorar ab dem zweiten Kollegengespräch nur noch 25 Prozent der jeweiligen Honorarziffer.
    Das Stufenmodell würde an der bisherigen Logik der werkbezogenen Vergütung festhalten. Es wäre allerdings mit deutlicheren Honorareinbußen verbunden als das Wuppertaler Crossi-Modell (siehe Kasten rechts).
  • Tagesreporter: Schon länger versucht der WDR, die Gewerkschaften zu einer Tarifierung von Tagespauschalen zu bewegen. Vor allem in der aktuellen Berichterstattung verspricht er sich davon erhebliche Einsparungen. Mit dem Pauschalhonorar würde die bisherige Festlegung auf die werkbezogene Vergütung journalistischer freier Arbeit unterlaufen. De facto werden allerdings Freie schon nach Tagespauschalen bezahlt.

Beide Modelle sollen parallel nebeneinander gelten. Sie sollen dem WDR zufolge nur zum Einsatz kommen, wenn vorab Beiträge für mindestens zwei Medien in Auftrag gegeben werden. Damit soll ausgeschlossen sein, dass die Redaktion nachträglich eine Rabattierung einfordern kann. /cbl

Crossis in Wuppertal

2014/15 haben die Gewerkschaften mit dem WDR um ein crossmediales Vergütungsmodell für ein Pilotprojekt in Wuppertal gerungen. Auch hier drängte der Sender auf Tagespauschalen statt der Vergütung je Beitrag. Zusammen mit den betroffenen Freien entwickelte der DJV-NRW hier ein Modell, bei dem jede einzelne Leistung werkbezogen in Crosspunkten („Crossis“) abgerechnet wird. Dazu gehören auch bisher nichttarifierte Leistungen wie Posts bei Facebook. Gleichzeitig erhält der Freie eine Mindestvergütung von 312 Euro pro Tag. Die Redaktion muss den tagesaktuellen „Cross-Reporter“ im Vorfeld beauftragen. Für die ursprünglich auf eineinhalb Jahre angelegte Pilotphase wurde eine Verlängerung bis zum 31.12.2017 vereinbart. /cbl

Wie geht es nun weiter?

In den Verhandlungen hatte der WDR erkennen lassen, dass er sein crossmediales Vergütungsmodell ohne Zustimmung der Gewerkschaften umsetzen könnte. Dies ist umso mehr zu befürchten, als die Leuchttürme bereits crossmedial arbeiten bzw. damit kurzfristig beginnen werden. Vor einer ähnlichen Situation standen Sender und Gewerkschaften 2015, als es um die Einführung  verschiedener Producer-Typen ging. Damals haben Gewerkschaften und Freie es durch gemeinsamen Druck geschafft, dass der Sender sein Vorhaben nicht umgesetzt hat, sondern an den Verhandlungstisch zurückkehrte. Dort konnten sich die Verhandlungspartner schließlich auf eine bessere Lösung einigen (siehe JOURNAL 6/15).

Genauso wird sich der DJV-NRW jetzt einer einseitigen Einführung der neuen crossmedialen Vergütungsmodelle entgegenstellen. Er setzt sich dafür auf allen Ebenen ein. Er braucht aber auch wieder das Engagement der Freien. Folgendes können sie im Augenblick tun:

  • dem DJV alle Abweichungen von den tarif-lichen Mindesthonoraren melden;
  • sich untereinander vernetzen und Kolleginnen und Kollegen über die aktuelle Lage informieren;
  • mitmachen, wenn der DJV demnächst zuProtestaktionen aufruft.
  • Auch wenn nicht alles bleiben kann, wie es ist: Ein solches Sparmodell müssen die Freien nicht akzeptieren. ||

Silke Bender

 

JOURNAL 2/17

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